In der Tat ist man sich auch heute noch der Tatsache so gut wie unbewusst, dass jeder einzelne ein Baustein in der Struktur der weltpolitischen Organismen ist und dementsprechend an deren Konflikt ursächlich Teil hat. Er weiss sich einerseits als ein mehr oder weniger bedeutungsloses Einzelwesen und kommt sich als Opfer unkontrollierbarer Mächte vor, andererseits aber hat er einen gefährlichen Schatten und Gegenspieler in sich, der als unsichtbarer Helfer in die finsteren Machenschaften der politischen Ungeheuer verwickelt ist. Es gehört zum Wesen politischer Körper, dass sie das Böse immer bei anderen sehen, ebenso wie der einzelne die fast unausrottbare Neigung hat, sich alles dessen, das er von sich nicht weiss und nicht wissen will, dadurch zu entledigen, dass er es dem anderen zuschiebt. Nichts wirkt auf die Gesellschaft mehr zertrennend und entfremdend, als diese moralische Bequemlichkeit und Verantwortungslosigkeit, und nichts fördert das Verständnis und die Annäherung mehr, als wenn die gegenseitigen Projektionen zurückgezogen werden. Diese notwendige Korrektur erfordert Selbstkritik, denn man kann nicht dem anderen befehlen, seine Projektionen einzusehen.
C. G. Jung, Gegenwart und Zukunft
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