Montag, 30. September 2024

Vom Vertrauten ins Unbekannte


2.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe

Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu finden. 

Aus „Stufen" von Hermann Hesse




Sonntag, 29. September 2024

Vom Vertrauten ins Unbekannte

Liebe Lesende 
Einmal mehr drängte mich ein innerer Impuls zu einer Veränderung und die äusseren Umstände schenkten mir die Freiheit dazu. Ein Wohnortswechsel steht bald an. Ich fühle mich dankbar für diese Möglichkeit und gleichzeitig auch herausgefordert. 

In dieser Veränderungsphase begleitet mich das Gedicht von Hermann Hesse: „Stufen", das ihr sicher alle kennt und vielleicht mag es gerade jetzt auch eine Veränderung in eurem Leben begleiten. Madeleine 

1. 
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.







Samstag, 28. September 2024

Kipppunkt

„Es braucht nicht zwingend die Beteiligung einer Mehrheit, um etwas zu bewegen. Wir haben Hinweise dafür gefunden, dass es reicht, 25 Prozent der Bevölkerung im Boot zu haben, um einen Kipppunkt zu erreichen."

Ilona Otto, Transformationsforscherin Universität Graz

Freitag, 27. September 2024

„Wenn die Welt durch menschliche Taten geheilt werden kann, dann bin ich davon überzeugt, dass dies durch gewöhnliche Menschen geschehen wird - Menschen, deren Liebe fürs Leben noch größer ist als ihre Angst."

Joanna Macy

Donnerstag, 26. September 2024

Der selbe Lebensstrom

"Die Blume sind wir, der Berg sind wir, unsere Eltern und unsere Kinder sind wir. Wenn wir verstanden haben, dass jedes Lebewesen und jedes Ding dem selben Lebensstrom angehören, schwindet unser Leiden."

Thich Nhat Hanh

Mittwoch, 25. September 2024

Systemische Revolution

„Die Umrisse einer neuen Geschichte sind wahrnehmbar. Sie dreht sich um die Erkenntnis, dass wir nicht Meister, sondern Teil der Natur sind. … Wir sind symbiotische Systeme, auch wenn wir glauben, wir seien Individuen. In der Neuentdeckung des Menschen als Knotenpunkt von Systemen liegt eine Revolution."

Philipp Blom, Historiker


Dienstag, 24. September 2024

Rede Vaclav Havel3

„Ich spreche von der Notwendigkeit, viel nachhaltiger das zu enthüllen und zu benennen, was uns verbindet, statt das, was uns trennt. Darin sehe ich die hauptsächliche Herausforderung des kommenden Jahrhunderts und Jahrtausends."

Vaclav Havel, Rede vor der Konferenz „Die Zukunft der Hoffnung", Hiroshima 1995

Montag, 23. September 2024

Rede Vaclav Havel2

„Das wirklich Gute, die wirkliche Verantwortung, die wirkliche Gerechtigkeit, der wirkliche Sinn der Dinge, all das wurzelt tiefer als in der Welt unserer vergänglichen irdischen Entwürfe.
Ich spreche hier über die Notwendigkeit, die wesentlichen, sozusagen fundamentalen geistigen Erfahrungen des Menschen neu zu begreifen und zu artikulieren und den Geist dieser Erfahrungen in die Schaffung der neuen Weltordnung einzubringen, einer Weltordnung, die es uns allen ermöglichte, in Frieden nebeneinander zu leben und zusammenzuarbeiten, ohne das jemand seine kulturelle Eigenart aufgeben müsste."

Vaclav Havel, Rede vor der Konferenz „Die Zukunft der Hoffnung", Hiroshima 1995

Sonntag, 22. September 2024

Rede Vaclav Havel1

„Ich glaube fest daran: Wenn etwas unsere vielfältigen und kulturellen Welten verbindet, die die heutige Zivilisation bilden, dann einzig die zuverlässige Gewissheit, dass der Schlüssel zu gutem menschlichen Zusammenleben und zu einem Leben, das nicht die Hölle auf Erden ist, im Respekt vor dem liegt, das uns unendlich überragt und das ich das Wunder des Seins nenne."

Vaclav Havel, Rede vor der Konferenz „Die Zukunft der Hoffnung", Hiroshima 1995




Samstag, 21. September 2024

unendlich befreiender

Jede Erfahrung ist also nur ein Ausdruck dessen, was keine Erfahrung ist. Alles ist dieses, es gibt nicht ausser diesem, und es hat nie etwas ausser diesem gegeben. Das bedeutet es, wirklich zu wissen, das alles eins ist.

Darum haben die Weisen zu allen Zeiten gesagt: „Dies ist das gelobte Land." Dieses Einssein ist Gott. Dies ist das Eine. Dies ist es. Es ist nirgendwoanders.

Und sobald du eingesehen hast, dass die Mitte leer ist, und du weisst, dass niemand da ist, der es anders haben will, als es tatsächlich ist, ist das viel besser als das erhebendste aller spirituellen Highs. So schön diese sind, die Wahrheit ist unendlich befreiender.

Adyashanti, Tanzende Leere

Ich danke euch für das gemeinsame Forschen diese Woche!
Einen schönen Sonntag wünscht
Martin

Freitag, 20. September 2024

Die Mitte ist hier

Du wirst feststellen, dass in der Mitte kein kleines „Ich" ist, das diesen Raum für sich beansprucht. Ohne dieses Ich in der Mitte ist niemand mehr da, der beurteilen könnte, ob eine bestimmte Erfahrung die richtige ist und ob sie überhaupt spirituell ist. ...

Alles ist Ausdruck dieser Mitte. Wenn du es nicht hier siehst, wirst du es nirgendwo sehen. Das ist die grosse Befreiung - die Befreiung davon, alles verändern zu müssen, um ins Gelobte Land zu gelangen oder Erleuchtung zu erfahren. 

Die Erleuchtungserfahrung besteht darin, dass sich nichts ändern muss. Tatsächlich erkennst du von hier aus sogar, dass die Erleuchtung selbst gar keine Erfahrung ist. Uns schon gar kein spirituelles High.

Adyashanti, Tanzende Leere

Donnerstag, 19. September 2024

das Wesen der Erfahrung ist Veränderung, ...

…ist ein Wogen wie das der Wellen im Ozean. So muss es sein. Jetzt aber wechselt die Identität einfach vom „Ich", dem Suchenden, der einer bestimmten Erfahrung nachjagt, zu diesem hier. Einfach diesem.

Die Mitte ist immer genau hier. Die Mitte war immer genau hier. Nur hat der Suchende immer darauf bestanden, dass die Mitte in einem spirituellen High zu finden wäre. Doch sowie er sich auflöst, ist im selben Augenblick die Mitte genau hier.

Mittwoch, 18. September 2024

in der Desorientierung ausharren

Der bzw. die Suchende muss inmitten dieser Desorientierung und dieses Gefühls, nicht weiterzuwissen, ausharren, denn in dem Augenblick, in dem er widerstandslos darin verweilt, statt davon abzurücken, wird etwas Neues geboren.

Spüre in deiner eigenen Erfahrung nach, was da geboren wird, wenn du dich der Desorientierung des spirituellen Suchers auslieferst, der nicht länger auf eine andere Erfahrung aus ist als die, die er gerade macht.

Du kannst fühlen, wie sich der Sucher in dir auflöst und wie sich Friede ausbreitet, der Friede, den der Suchende immer erstrebt hatte.

Adyashanti, Tanzende Leere

Dienstag, 17. September 2024

durchschauen

Das Ich denkt, es sei seiner wahren Natur näher, wenn es sich wohlfühlt, und ihr ferner, wenn es ihm schlecht geht. Aber in diesem Hin-und Herpendeln zwischen „Ich hatte es" und „Ich hab's wieder verloren" hört es allmählich auf, an seine Selbsttäuschung zu glauben. Etwas beginnt, diese zu durchschauen, und erkennt, dass das keine Freiheit ist.

Adyashanti, Tanzende Leere

Montag, 16. September 2024

für immer und ewig berauscht

Der spirituelle Mensch ist sich sicher, dass kein Problem vorliegt, dass seine Trunkenheit keine Ähnlichkeit mit anderen Formen der Trunkenheit aufweist und dass es letztlich darum geht, für immer und ewig spirituell berauscht zu sein. So ist die Denkart eines Süchtigen: „Ich hatte es und habe es wieder verloren. Ich brauche es. Ich habe es nicht mehr."

Adyashanti, Tanzende Leere

Sonntag, 15. September 2024

Spirituelle Sucht

Ein spiritueller Mensch kann süchtig werden nach spirituellen Highs und dabei die Erfahrung der Wahrheit verpassen. … Keine Droge ist potenter als eine spirituelle Erfahrung. Die intellektuelle Komponente dieser Sucht ist die Überzeugung, dass du nur genügend solcher Erfahrungen sammeln musst, um dich immer so high zu fühlen. … „Wenn ich diese Erfahrung immer hätte, wäre ich endlich frei."

Texte von Adyashanti aus seinem Buch „Tanzende Leere" stellt für diese NetzwerkEINS-Impuls-Woche Martin zusammen zum Thema, was macht uns wirklich frei.

Samstag, 14. September 2024

Einsamkeit

Drei tiefe Wege, um das Gefühl der Einsamkeit zu heilen

Hier sind drei herzliche Wege, um diese Reise zu beginnen:

 

  1. Nimm deine globale Identität an: Stell dir vor, dass du ein Weltbürger bist, Teil einer voneinander abhängigen Menschheit, die über Nationen, Religionen oder politische Ansichten hinausgeht. Nimm Abstand von der Hektik des Alltags und schätze die große Welt, deren Teil du bist. Denke daran, dass alle Mauern nur mentale Konstrukte sind. Wenn du dich selbst als Teil unseres Planeten siehst, trägst du zu einer besser vernetzten Welt bei.
  2. Kultiviere eine nicht wertende Sichtweise: Versuche, die Welt nicht mehr in richtig und falsch, gut und schlecht zu sehen. Populistische Politik, sensationslüsterne Medien und konfliktgetriebene soziale Medien fördern oft diese trennenden Sichtweisen. Wenn du dieses binäre Denken loslässt, öffnest du dich für eine umfassendere und verständnisvollere Sicht auf die Welt. Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich, wenn du über die Trennungen hinwegsiehst?
  3. Verbreite Freundlichkeit in den sozialen Medien: Soziale Medien können ein Schlachtfeld sein, auf dem Worte zu Waffen werden. Wir alle haben die Härte gesehen oder erlebt, die in diesen digitalen Räumen entstehen kann. Anstatt dich an dieser Negativität zu beteiligen, solltest du die sozialen Medien nutzen, um andere aufzurichten und zu unterstützen. Zeige Großzügigkeit, biete Hilfe an und trage dazu bei, die Einsamkeit zu überwinden, die viele empfinden.

Shai Tubali

 

 

 

 

 

Freitag, 13. September 2024

Erkenntnis

"Das ist eine wunderbare Erkenntnis: Die Stille war schon immer da.

 

Sie ist kein Teil deiner Meditation.

 

Du enthältst sie nicht.

 

Du erlaubst dir selbst, ein Teil von ihr zu werden."

 

~ Shai Tubali

 

 

 

Donnerstag, 12. September 2024

Stille

"Stille ist nicht die Wahrheit,
Aber Stille kann dir die Wahrheit offenbaren.


Noch genauer,
Du kannst die Wahrheit nur erkennen
in einem Zustand vollkommener, unerschütterlicher Stille.


Sie ist die Pforte, die dich hinführt
auf die andere Seite deines Wesens,


wo die Sonne der Wahrheit nicht verdunkelt wird
durch irgendeine Gedankenwolke."

 

~ Shai Tubali

 

 

Mittwoch, 11. September 2024

Statisch - Dynamisch

"Statische Akzeptanz schränkt dich ein.

 

Dynamische Anpassung befähigt dich.

 

Sei fließend, sei stark."

 

~ Shai Tubali

 

 

 

 

 

Dienstag, 10. September 2024

Sokrates

Ich weiss es nicht wirklich – Ja, sogar nach all meinem Lernen, Lesen und Denken.

Kann ich diesen Ausgangspunkt befreiend empfinden und meinen Geist offen und flexibel halten.?

Kann ich mir Fragen, welche ich schon beantwortet habe, von Anfang an, mit frischer Perspektive stellen?

Zum Beispiel: was ist der richtige Weg zu leben?

Und was ist das Gute?

Kann ich akzeptieren, dass einige meiner festen Meinungen vielleicht unvernünftig, widersprüchlich und schwach wie ein Kartenhaus sind?

 

Samstag, 7. September 2024

Nichtwissen als Ressource II

 

Alles strebt nach der schnellen Antwort, wodurch die Krise immer weiter beschleunigt wird. Eigentlich brauchen wir Entschleunigung. Sie hat das Potenzial Räume zu ermöglichen, in denen wir uns mit den grundlegenden Fragen unserer Zeit befassen können: Wofür stehen wir als Gesellschaft?  Was eint uns, bei aller Vielfalt? Welche Entwicklung ist uns zentral neben der ökonomischen? Was ist unser Beitrag zum Wohlergehen des Ganzen? Das alles gilt es in erodierenden Lebensgrundlagen neu zu beantworten.

Im Kern geht es also darum, unser aktuelles Nichtwissen, unsere Ratlosigkeit in Aushandlung zu bringen. Ich halte das für den zentralen Ansatzpunkt, um den demokratischen Prozess neu zu beleben.

 

Hanno Burmester in evolve 43

 


Virenfrei.www.avast.com

Freitag, 6. September 2024

Nichtwissen als Ressource I

 

Die Universalität der Krise besteht darin, dass die Grundlagen unseres Selbstverständnisses in der Krise sind.

 

Was hat mein Weltverständnis mit dem Weltzugang eines Indigenen am Amazonas gemein? Und das in einer Welt, in der wir offensichtlich gemeinsam sind? Wir begegnen uns in unserer Fremdheit. Wir Westler wollen unser kosmologisches Weltverständnis als Grundlage nehmen, um alle einzubeziehen. Krisen sind aber auch eine Situation des Nichtwissens, wo spirituelle Werte besonders zur Geltung kommen könnten. Die sind nötig, um in dem Ganzen etwas zu finden, damit wir dieses Leben in der Krise gemeinsam aushalten. In dem Vertrauen, das sich daraus etwas Gemeinsames finden wird, wenn wir uns die Zeit und den Raum dafür geben.

 

Hanno Burmester in evolve 43


Virenfrei.www.avast.com

Donnerstag, 5. September 2024

Soziale Energie V

 

Jede Gesellschaft bildet sich nicht nur aus den Gesetzen und Regelungen, den Institutionen wie Parlamenten und Regierungsorganisationen, den Prozessen der Governance und Entscheidungsfindung. Jede Gesellschaft besteht auch aus einer inneren Dynamik, Energie, den geteilten Werten und Emotionen der Menschen, die eine Gesellschaft bilden, und den Kommunikationsformen, die diese inneren Empfindungen in den Austausch bringen. So besteht auch die Demokratie nicht nur aus den demokratischen Prozessen und Institutionen, sondern aus dem kollektiven Bewusstsein, dem sozialen Innenraum der beteiligten Menschen. Oft aber erhält diese innere soziale Dynamik nicht genügend Aufmerksamkeit.

 

 

Mike Kauschke in evolve 43

 


Virenfrei.www.avast.com

Mittwoch, 4. September 2024

Soziale Energie IV

 

Führen wir uns noch einmal den Freitagabend vor Augen, an dem wir uns zum Ausgehen überreden ließen: Wir erfahren in der Aktivität einen Energieschub – dieser lässt sich aber nicht als Input-Output-Relation modellieren. Die Antriebsenergie für die gemeinsame Aktivität kommt aus dieser selbst, es handelt sich um Interaktionsenergie, wie sie beispielsweise in einem gelingenden Gespräch, beim Musizieren oder beim Sporttreiben und manchmal auch bei der Arbeit entsteht. Diese Energie lässt sich keinesfalls als Summe der individuellen Energien verstehen.

 

Wenn es schlecht läuft, haben wir das Gefühl, viel Energie verbraucht zu haben und "gerädert" oder "erledigt" nach Hause zu kommen: "Es kam nichts zurück", sagen wir dann. Dieses Gefühl teilen sämtliche Beteiligten, wenn sie die Situation ähnlich erfahren haben. Es wäre also auch falsch, sich hier einen Energieaustausch als Nullsummenspiel vorzustellen, bei dem die einen investieren und die anderen profitieren. Gerade andersherum ist es beim gelingenden Abend: Hier fühlen sich hinterher alle beflügelt und beschwingt und haben den Eindruck, die Dinge hätten sich wie von selbst entwickelt, ohne dass es stetiger Anstrengung bedurft hätte.

 

Daraus ergibt sich dreierlei: Erstens, soziale Energie ist keine individuelle Ressource, sondern eine kollektive Kraft. Deshalb lässt sie sich nicht einfach als psychologische Größe im Sinne individueller Antriebsenergie fassen. Zweitens, sie ist überhaupt nicht als Ressource zu verstehen, die wir in einem Input-Output-Verhältnis verrechnen könnten, sondern sie entsteht uno actu in ihrer Verausgabung: Investition und Gewinn, wenn wir so wollen, fallen zusammen. Und drittens, sie existiert nur in der Bewegung, sie ist zirkulierende Energie – sobald wir sie "haben" wollen, verschwindet sie. Wenn wir uns nach der Verausgabung beim Sport oder im Theater energiereicher fühlen als vorher, so haben wir nicht soziale Energie getankt, die irgendwo gespeichert gewesen wäre, sondern wir haben uns – genau: in einer ruhenden Bewegung für einen zirkulierenden Energiestrom geöffnet.

 

 

Hartmut Rosa

 

https://www.uni-erfurt.de/forschung/aktuelles/forschungsblog-wortmelder/soziale-energie-diese-kraft-zu-verstehen-ist-ueberlebenswichtig-fuer-uns-alle

 

 

 


Virenfrei.www.avast.com

Dienstag, 3. September 2024

Soziale Energie III

 

 

Die politische Einsicht lautet, wir müssten (endlich) mehr Energie in die Digitalisierung, mehr Energie in die Bildung stecken; mehr Energie für die Verteidigung, für die Bekämpfung der sozialen Ungleichheit, der ökonomischen Stagnation und des Klimawandels aufwenden – aber die politische Wahrnehmung sagt uns: Wir haben keine Kraft mehr dazu. Zugleich sind wir individuell wie kollektiv unfähig, auch nur langsamer zu machen, den Energieumsatz zu reduzieren, aufzuhören, uns selbst und die Umwelt zu zerstören. Kein Zweifel, wir haben eine gewaltige, doppelte Energiekrise.

Wir können uns Energie nur in Input-Output-Relationen vorstellen und fragen daher stets: Was stecke ich hinein, an Aufwand, Zeit, Kraft – eben: Energie? Und was kriege ich heraus? Lohnt es sich? Was wir aber brauchen, ist eine Konzeption zirkulierender sozialer Energie. Deren Grundzüge möchte ich (hier) skizzieren, nicht ohne zu betonen, dass die Entwicklung eines solchen Konzepts eine kulturelle Herausforderung darstellt, da es der Sprache, dem Denken, dem Handeln und den Institutionen der modernen Gesellschaft zuwiderläuft.

 

Hartmut Rosa in Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung“

 


Virenfrei.www.avast.com

Montag, 2. September 2024

Soziale Energie II

 

Jeder kennt das. Es ist Freitagabend, und wir sind zu nichts mehr zu gebrauchen. Dösen ein schon auf dem Sofa. Heute mache ich gar nichts mehr. Wir schaffen es kaum noch ins Bett. Da klingelt es, und ein paar Freunde überreden uns, doch noch auszugehen. Vielleicht in einen Club oder ins Konzert, vielleicht gar zum Fußball oder auch nur in die Kneipe. Wider Erwarten wird der Abend anregend, aufregend und erholsam. Als wir zurück sind, sprühen wir vor Energie und Tatendrang, machen Pläne für das Wochenende.

Wie kann das sein? Wie ist es möglich, Energie auszugeben, obwohl wir keine haben, und dabei und dadurch neue Energie zu gewinnen? Sicher, wir würden sagen: Wir haben Energie getankt. Aber wie zur Hölle tankt man Energie? Was ist das überhaupt, Energie, wenn es sich nicht um das physikalische Phänomen handelt? Und wieso haben von Jahr zu Jahr mehr Menschen das Gefühl, ihnen gehe die Energie aus, sie seien nur noch erschöpft? Geben wir uns nicht mit pseudowissenschaftlichen oder esoterischen Erklärungen zufrieden, ist die Suche nach einer Antwort nicht einfach.

 

Hartmut Rosa

 


Virenfrei.www.avast.com

Sonntag, 1. September 2024

Soziale Energie I

 

Der in Dänemark geradezu kultisch verehrte Philosoph Knud Ejler Løgstrup macht das an der einfachen Frage deutlich, ob Liebe (zu Kindern, Partnern oder Freunden) als egoistisch oder als altruistisch zu qualifizieren sei. Seine Antwort lautet, die Unterscheidung mache an dieser Stelle überhaupt keinen Sinn. Genuine Liebe sei sowohl egoistisch als auch altruistisch, oder genauer: weder – noch, denn sie ist ein partizipatives Geschehen, bei dem Geben und Empfangen zusammenfallen. Und siehe da: Ebendies gilt für mehr oder minder alle sozialen Aktivitäten, bei denen wir Energie tanken können.

Lohnt es sich? Und: cui bono? Dies sind die Grundfragen der Input-Output-Orientierung, und meine Diagnose lautet: Erstens, wir stellen uns diese Fragen individuell und kollektiv immer öfter und immer verzweifelter und in immer mehr Lebensbereichen – und werden, zweitens, immer erschöpfter dabei. Was fehlt, ist der Sinn für die Dimension des energetischen Geschehens dazwischen und damit zugleich für das Gelingen des Interaktionsprozesses. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Dänen bei der Frage nach Glück und Lebenszufriedenheit stets vorderste Ränge einnehmen.

 

Hartmut Rosa

 

https://www.uni-erfurt.de/forschung/aktuelles/forschungsblog-wortmelder/soziale-energie-diese-kraft-zu-verstehen-ist-ueberlebenswichtig-fuer-uns-alle

 

 


Virenfrei.www.avast.com