Samstag, 9. September 2023

Loblied auf das Verneigen 7 (Newsletter Benetiktushof)


7. Verneigen als Feier des Lebens:

Verneigen ist somit Ausdruck der Kostbarkeit und Einmaligkeit dieses Augenblicks, des Wunders des Lebendig-Seins, des Geheimnisses meines Lebens und alles Lebendigen sowie des Mysteriums der göttlichen Gegenwart in allen und allem. Womit ich auch das Heilige für mich benamt habe, vor dem ich mich verneige, ohne dass es diese Benamung oder Ausrichtung benötigt. Verneigen: Ich stelle mich in die Mitte meines Lebens und vergegenwärtige es in seiner So-Heit. Verneigen gegen das Vergessen der tiefsten Wirklichkeit, Erinnerung und Vergegenwärtigung. Zelebration – Feier des Lebens.

Schließen möchte ich mit einem Text der Zen-Tradition, der dies für mich ausdrückt:

EINE TIEFE VERBEUGUNG
Ich werde oft gefragt, wie ein
Buddhist die Frage
„Existiert Gott?" beantwortet.

Vor ein paar Tagen ging ich am Fluss entlang. Der Wind wehte.
Plötzlich dachte ich: „O, die Luft existiert wirklich!"
Wir wissen, dass die Luft da ist,
aber solange uns nicht der Wind ins Gesicht weht,
sind wir uns ihrer nicht bewusst.
Vom Winde umweht, wurde mir plötzlich klar, dass sie wirklich da ist.

Genauso ist es mit der Sonne.
Plötzlich nahm ich die Sonne wahr,
die durch die kahlen Bäume schien.
Ihre Wärme, ihre Helligkeit – alles vollkommen frei,
vollkommen gratis.
Wir können sie einfach genießen.

Und ohne es bewusst zu wollen, völlig spontan, legte ich die Hände
gegeneinander und machte „gassho".
Da wurde mir klar, dass es nur darauf ankommt:
dass wir uns verbeugen, tief verbeugen können.
Nur das, einfach nur das.

Rev. Ido Tai Shimano Roshi


von Sven-Joachim Haack

Kontemplationslehrer "Wolke des Nichtwissens" (Willigis Jäger), Ev. Pfarrer i. R. und Klinikseelsorger





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